Schulprojekte

Auschwitz – 75 Jahre danach! Gedenken und Lernen

Das Gymnasium „J. G. Herder“ in Merseburg hat erstmalig an der Gedenkstättenfahrt zu dem ehemaligen Arbeits- und Vernichtungslager Auschwitz vom 23.09. bis zum 27.09.2019 mit einer Schülergruppe (20 Teilnehmer, 2 Lehrer) teilgenommen, nachdem bereits im Jahr 2018 die Gedenkstätte in Treblinka besucht wurde. Unter der Leitung von Herrn Görns und Frau Markus diente die Gedenkstättenreise in Oświęcim (deutsch Auschwitz) / Polen dazu, die Geschichte der nationalsozialistischen Verbrechen mit Schülerinnen und Schülern der Klassenstufe 10 aufzuarbeiten. Gefördert und ermöglicht wurde dieses Projekt erneut von der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt (LpB) und dem Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk (IBB) sowie dem Partner Geschichtswerkstatt Merseburg-Saalekreis e. V. im Rahmen der Gedenkstättenkooperation 2019. Im Rahmen des 75. Jahrestages (27.01.2020) der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau stellen wir unsere Erlebnisse und den Verlauf des Geschichtsprojektes dar.

Studientagebuch
Montag – Anreise
Am Montag, den 23.09.2019, trafen wir uns um 7:45 auf dem Schulgelände. Nachdem unsere Koffer im Bus verstaut waren, fuhren wir kurz nach 8 Uhr los. Insgesamt dauerte die Fahrt ca. 8 Stunden. In diesen 8 Stunden hatten wir Zeit, um uns auf die Thematik der Reise einzustimmen. Wir haben uns u. a. den Film „Der Hauptmann” angesehen. „Der Hauptmann” ist 2018 (beruht auf wahren Begebenheiten) erschienen und umfasst die Geschichte eines jungen Mannes namens Willi Herold. Er ist ein Deserteur der deutschen Armee im Jahre 1945. Nachdem er seine Flucht nur knapp überlebte, fand er eine Hauptmanns Uniform und schlüpfte in dessen Rolle als machtbesessener Nationalsozialist. Im Film wurden die Kriegsverbrechen, die sich im Emslandlager II (bei Papenburg) zugetragen haben in ungeschönter Weise dargestellt. Nach langer Fahrt kamen wir im Hotel an, welches schon im ersten Moment einen guten Eindruck machte. Unsere Gruppe wurde von dem Hotelpersonal freundlich aufgenommen. Nach dem Abendessen wurde die Planung für den folgenden Tag besprochen und noch einmal auf die Verhaltensweisen in der Gedenkstätte hingewiesen.

Dienstag – Auschwitz I / Stammlager
Am Dienstag unserer Gedenkstättenfahrt sind wir gegen 8 Uhr zum Frühstück gegangen. Das Frühstück war wie an jedem Tag sehr abwechslungsreich und lecker. Nachdem Frühstück haben wir uns 9 Uhr am Bus getroffen, um dann die Fahrt nach Oswiecim anzutreten. Dort angekommen haben wir einen kleinen Fußmarsch gemacht, um zu unserer Reiseführerin zu kommen. Diese hat uns durch die Stadt geführt und die Geschichte der Stadt erzählt. Sie hat uns viele Sehenswürdigkeiten, wie z. B. das Rathaus, eine alte Schnapsbrennerei und eine Kirche gezeigt. (Es wurde darauf Werte gelegt, die Historie der Stadt unabhängig von den Verbrechen der Nationalsozialisten zu erzählen.) Außerdem hat sie immer mit kleinen Zwischenfragen die Aufmerksamkeit der Gruppe getestet, diese Fragen konnten aber meist gut beantwortet werden. Nach der allgemeinen Führung durch die Stadt haben wir uns noch eine Synagoge angesehen. Zu dieser hat unsere Reiseführerin wieder viele interessante Fakten erzählt. Nach der Führung durch die Stadt hatten wir noch ein bisschen Freizeit, in der wir uns die Stadt genauer ansehen konnten. Nach der Freizeit sind wir mit dem Bus zum Hauptlager (Stammlager I) von Auschwitz gefahren. Dort war es sehr voll von anderen Reisegruppen: Dies war aber zu erwarten bei so einem geschichtlichen Ort. Nach kurzem Warten haben wir unsere Reiseführerin getroffen. Diese hat uns im Stammlager herumgeführt und viele Informationen berichtet. Bei der Besichtigung haben wir uns u. a. den Todesblock, die Todeswand und die noch erhaltenen Gaskammern, so wie das Krematorium angesehen. Viele Einblicke waren sehr emotional ergreifend, wie z. B. die abgeschnittenen Haare, Schuhe und Wertgestände, die den Häftlingen von den Nazis abgenommen wurden. Dieser Anblick hat zum Nachdenken angeregt und dabei ist uns erstmal klar geworden, wie viele unschuldige Menschen dort umgebracht worden. Die Führung war sehr informativ und emotional beeindruckend. Nach der Besichtigung haben wir die Rückfahrt zu unserer Unterkunft angetreten. Dort angekommen, gab es um 19 Uhr Abendessen. Nach dem Abendessen haben sich alle im Konferenzraum versammelt um den Tag auszuwerten, kleine Vorträge der Schüler zu hören und den ersten Teil einer Dokumentation über das Warschauer Ghetto anzusehen. Nach diesem ereignisreichen Tag war gegen 22 Uhr Nachtruhe.

Mittwoch – Krakau, Besuch der Fabrik Oskar Schindlers
Am Morgen, kurz nach dem Aufstehen (ca. 8 Uhr), frühstückten wir gemeinsam im Restaurant des Hotels. Gegen 9 Uhr fuhren wir dann mit dem Bus nach Krakau. Nach langer Parkplatzsuche in der Innenstadt besuchten wir „Kazimierz“, ein ehemaliges jüdisches Stadtviertel. Dort besuchten wir mehrere Synagogen, eine alte jüdische Bücherei sowie Drehorte des Films „Schindlers Liste“. Im Anschluss an die Besichtigung legten wir eine kleine Pause auf einem alten Marktplatz („Plac Nowy“) ein, wo wir die Gelegenheit hatten, eine lokale Spezialität mit dem Namen Zapiekanka zu genießen. Danach ging es direkt weiter mit einer Führung durch den Stadtteil „Podgorze“. Darauffolgend besichtigten wir die multimediale Ausstellung „Krakau während der Besatzung 1939-1945“ in der ehemaligen Fabrik Oskar Schindlers. In der früheren Fabrik für Emaille-Waren wurde das Leben im von den Nazis besetzten Krakau und die Geschichte Oskar Schindlers und seiner Helfer (Itzhak Stern, Hilde Berger, Abraham Bankier und Marcel Goldberg) dargestellt. Nach dieser interessanten und sehr gut gestalteten Ausstellung hatten wir eine Weile Freizeit, die viele SchülerInnen für eine kleine Pause nutzten, um die interessanten aber auch vielen Informationen zu verarbeiten. Der vorletzte Punkt auf der Tagesordnung war dann ein Gespräch mit einer der letzten Überlebenden des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz, Lidia Maksymowicz, und ich finde, dass sie uns den Schrecken und die Brutalität, die in dem Lager herrschte, nochmal sehr authentisch näherbringen konnte. Die Zeitzeugin erzählte von ihren Erlebnissen im KZ Auschwitz-Birkenau und den Ängsten, die sie als Kind aushalten musste, vor allem, wenn Dr. Mengele in die Baracke kam, um sich seine „Versuchskaninchen“ für medizinische Experimente auszusuchen. Ein sehr emotionaler Moment war, als sie uns ihre eintätowierte Häftlingsnummer auf ihrem Unterarm zeigte. Sie wollte damit Zeugnis des Erlebten ablegen und zum Erinnern an die Opfer anregen. Als letztes an diesem Abend aßen wir alle zusammen in einem Jüdischen Restaurant in Kazimierz im Rahmen eines Klezmer-Konzertes. Danach fuhren wir mit dem Bus zurück ins Hotel, besprachen das Erlebte, hörten uns noch einige Vorträge unserer Mitschüler an und gingen schließlich ca. 22 Uhr ins Bett.

Donnerstag – Auschwitz II / Birkenau
Am 26.09.2019 fuhren wir nach dem Frühstück mit dem Bus erneut zur Gedenkstätte des Stammlagers / Auschwitz I. Dort nahmen wir an einem Workshop im Archiv der Gedenkstätte teil. Wir bekamen Einblicke in ausgewählte Dokumente (beispielsweise Tagesbefehle, Personalakten von SS-Leuten, Häftlingsbriefe und Zeitzeugenberichte). Nach der Sichtung des Materials beschäftigten wir uns in fünf kleinen Gruppen mit wesentlichen Fragen rund um das Leben des SS-Personals, z.B. welche Eigenschaften es mitbringen musste; wie es zu den Häftlingen stand und wie die Häftlinge das Personal wahrnahmen. Auch erschlossen wir uns mit Hilfe der Dokumente, welche Aufgaben ein SS-Mann im Konzentrationslager hatte und wie er seinen Alltag gestaltete. In der Zusammentragung kamen wir zu interessanten Ergebnissen. Es gab viele Leute bei der SS, die ihre Macht schamlos ausnutzten und die Häftlinge grausam behandelten. Jedoch wiederum auch Männer, die sich verliebten und sich für ihre Geliebte einsetzten (Beispiel: Franz Wunsch und slowakische Jüdin Helena Citrónová). Es war ein komisches Gefühl diese Schriften in den Händen zu halten, auch wenn es nur Kopien waren. Es fühlte sich dennoch so real an, dass es uns berührte. Wir haben damit nicht anders gearbeitet als mit anderen Textquellen, die wir in der Schule auch haben, aber es war anders und irgendwie bizarr. Anschließend wurde der Workshop nach einer persönlichen Stellungnahme von einzelnen zu der Frage, ob ein SS-Mann ein „grausames Monster“ gewesen sei, beendet. Danach mussten alle erst einmal die erhaltenen Informationen verarbeiten und sich auf der Busfahrt zum nächsten Stopp darüber austauschen. Am Nachmittag also war es soweit, wir schauten uns den zweiten Teil der „Auschwitz-Topographie – Logik der Vernichtung“ im eigentlichen Vernichtungslager Auschwitz II / Birkenau an.
Schon von weitem war der Anblick des Eingangstores mit dem großen Turm sehr emotional. Wir gingen als erstes in den großen Hauptwachturm, von dem man das gesamte Gelände überschauen konnte. Es ist riesig und man bekam einen Überblick über die Ausmaße: die Baracken, der „Rampe“ und die Größe des Lagers.
Vor Ort bekamen wir eine dreistündige Führung durch das Massenvernichtungslager. Man zeigte uns die erhalten gebliebenen Häftlingsbaracken, die Ruinen der Gaskammern und Krematorien und zum Schluss das Denkmal zur Erinnerung an die Opfer des Lagers. Zu Beginn der Führung schauten wir uns das gesamte Lager vom großen Wachturm aus an. Man kann es nicht beschreiben, es sah riesig aus und drum herum überall Zäune mit Stacheldraht. Jetzt ist dort überall grüne Wiese und die Touristen gehen hindurch. Einige von ihnen auch sehr respektlos (sie machen dort strahlende Selfies oder ein Bild von sich, lächelnd an der Rampe). Die Baracken waren nicht besonders groß, wenn man bedenkt, dass dort bis zu 700 und mehr Menschen eingesperrt waren und versuchten zu überleben. Die meisten der Baracken wurden Detail getreu wiederaufgebaut, um als Mahnmal noch heute Zeugnis abzulegen. Auf engsten Raum unter menschenunwürdigen Bedingungen warteten sie eigentlich nur auf ihren Tod. An kleinen Kindern wurde experimentiert (durch den Arzt Josef Mengele) oder sie wurden direkt nach ihrer Ankunft im Lager, zusammen mit alten, schwachen Menschen zu den Gaskammern geführt. Zum Schluss haben wir uns die Ruinen der Krematorien angesehen sowie ein Gebäude, welches „Zentralsauna“ genannt wurde, in dem die ankommenden Häftlinge sich entkleiden mussten, enthaart und desinfiziert wurden und ihre Häftlingskleidung erhielten. Es war ein seltsames Gefühl in diesem Gebäude, die gleichen Schritte zu gehen wie die Menschen damals, zum Teil auch die gleichen Dinge zu sehen. Wir konnten und wollten uns nicht ansatzweise vorstellen, wie es für diese armen Menschen damals war. Auf dem Weg zurück zum Eingang bzw. Ausgang war es bereits so spät, dass die Sonne unterging. Diese Eindrücke werden uns wohl für immer in Erinnerung bleiben und uns prägen.
Als wir wieder im Hotel waren und zu Abend gegessen hatten, besprachen wir die Eindrücke des Tages. Es war interessant auch mal die Gedanken der anderen Schüler zu hören und irgendwie hat es auch geholfen das dort Gesehene und Gehörte zu verarbeiten.
Zum Abschluss des Tages haben wir den Film „Der Pianist“ geschaut. Er beruht auf wahren Begebenheiten. Der Film handelt von einem jungen jüdischen Pianisten, der es nur durch Glück und einige Zufälle schaffte zu überleben, seine Familie leider nicht. Am Ende wurde er vom deutschen Offizier Wilhelm Hosenfeld gerettet, dieser starb jedoch in Gefangenschaft der Sowjetunion. Alles in allem war dies ein sehr bewegender und eindrucksvoller Tag.

Freitag – Abreise

Am Freitag, den 27.09.2019, fuhren wir nach dem Frühstück 9:30 Uhr los und machten uns auf den Weg zu unserer letzten Station während dieser Gedenkstättenreise in der Kunstausstellung im Kloster von Harmęźe. Diese Kunstausstellung wurde von dem ehemaligen Häftling Marian Kołodziej entworfen. Dank der Heldentat eines Mannes namens Pater Maximilian Kolbe, hat er die grausame Zeit im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz überlebt. Er hat versucht seine grausamen Erinnerungen am Ende seines Lebens in Zeichnungen zu verarbeiten. Diese Ausstellung ist eine künstlerische Vision der „KZ Hölle“ und der Heldentat von Pater Maximilian Kolbe.
Die Bilder drücken auf ihre ganz eigene Art und Weise die damalige Grausamkeit und den in Auschwitz immer präsenten Tod aus. Nach etwa einer Stunde haben wir die Ausstellung wieder verlassen und begaben uns somit gegen 11 Uhr auf den Heimweg. Gegen 20 Uhr erreichten wir wieder wohlbehalten unser Gymnasium in Merseburg.

Herr Görns